30.10. – 28.11.2020,

Christophe Berhault: 250.000 Paintings

, Marta Herford

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Christophe Berhault, 250.000 Paintings. Installationsansicht Marta Herford 2020

Credit

250.000 Paintings des 1958 in Frankreich geborenen Künstlers Christophe Berhault ist ein digitales Fotoarchiv einer Auswahl von 250.000 digital abfotografierten Amateurfotografien, gefunden in Familienalben und in Fotokisten auf Flohmärkten und in Antiquariaten in Berlin. Die Sammlung umspannt grob ein ganzes Jahrhundert Fotografiegeschichte: 1890–1995. Die Fotografien erscheinen nicht chronologisch geordnet, jeweils einmalig für den kurzen Augenblick von 10 Sekunden. Aus zigtausenden Fotografien traf Berhault eine Auswahl, die er anschließend abfotografierte, mitunter in selbstgewählten Bildausschnitten festhielt. Laut Berhault ist es das Leben selbst, das hier archiviert wird – die Feiern, Geburtstage, Liebesgeschichten und Urlaube, ein Jahrhundert voller Kriege, Tragödien, die Trennung eines Landes und ihre Wiedervereinigung. Die vor dem Vergessen geretteten Bilder verbinden persönliche Schicksale mit Geschichtsschreibung. Durch das Abfotografieren und das anschließende Vergrößern durch die Projektion verleiht Berhault den kleinen Amateurfotografien für einen kurzen Moment den Status eines Kunstwerkes. Oder anders ausgedrückt, erst die Vergrößerung offenbart die künstlerische Dimension der Bilder.

Manche der Fotografien versagen als solche und erinnern eher an impressionistische oder abstrakte Bilder. Stilbegriffe der Malerei, die sich so auch auf die Fotografien anwenden ließen: Ein Gesicht in Bewegung mit drei Mündern, wie bei einem Gemälde von Francis Bacon oder eine Tür, die an die Malerei eines Mark Rothko denken lassen – so verschwommen, man weiß nicht mehr, wo sie beginnt und wo sie endet. Für diese Assoziationen ist die angelegte Perspektive maßgeblich: Betrachtet man die Komposition, die Textur, den Kontrast oder das Licht?

Während das Museum seine Sammlung im Schutzraum, also im Inneren des Gebäudes präsentiert, wird die Sammlung Berhaults als Lichtbild auf die repräsentative Hülle des Museums geworfen. Sowohl die Präsentation im öffentlichen Raum als auch die Verschiebung von Innen nach Außen werfen Fragen bezüglich der klassischen Sammlungstätigkeit von Museen auf: Was hält Einzug in die Sammlung? Wer entscheidet darüber und wie wird eine Sammlung anschließend präsentiert?

Begleitend zur Eröffnung der Ausstellung Trügerische Bilder – Ein Spiel mit Malerei und Fotografie, startete am 30.10.2020 die Projektion 250.000 Paintings von Christophe Berhault. Die Projektion war nur mit Eintritt der Dunkelheit auf der äußeren Hülle der Südseite des Museums sichtbar und lief bis zum 28.11.2020.

Kurator: Hanns Lennart Wiesner

Publikation Building Moments, Perspectives, and Encounters. A Ceremonial of Attention, 2021, herausgegeben von Hanns Lennart Wiesner, Kunsthalle Münster

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